Speik: Der Duft der Nockberge

Almgeschichten, 20.06.2022, Elisabeth Tschernitz-Berger

Wer in den Kärntner Nockbergen einen Almurlaub erlebt, wird mit einer besonderen Pflanze, die es nur in dieser Gegend gibt, Bekanntschaft machen: dem Speik. Die intensiv duftenden Wurzeln werden von der deutschen Firma Speick zu Kosmetikprodukten und Seifen verarbeitet.

 

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Die Blüte der Speikpflanze | © SPEICK Naturkosmetik

Der Echte Speik: Valeriana celtica

Bekannt ist der Norische Speik oder Alpenbaldrian mit dem klingenden Namen Valeriana celtica subspezies norica schon seit über 2000 Jahren. Bezeichnet wird er auch als Maria Magdalena Blume, weil Maria Magdalena Jesus‘ Füße angeblich mit dem duftenden Speik-Öl salbte und diese dann mit ihrer Haarpracht trocknete. „Das ganze Haus war vom Duft des Öls erfüllt“, beschreiben die Apostel Johannes und Lukas in der Bibel den betörenden Duft. Auch die auf Schönheit und Körperpflege bedachte ägyptische Königin Kleopatra soll ganz scharf darauf gewesen sein und soll das Speik-Öl regelmäßig in ihr Schönheitsprogramm eingebaut haben.

Ob das alles der Wahrheit entspricht? Der echte Speik kommt nämlich ausschließlich auf den sanften Almen des Kärntner Biosphärenparks Nockberge vor. Zwischen bunten Blumen und Alpenkräutern. Dort sind die Bedingungen für die Pflanze optimal: kalkarme Böden in fast baumlosen Lagen ab 1800 Höhenmetern. „Das intensive, hochalpine Licht, die klare Luft und das Zusammenspiel von kalten Wintern und warmen Sommern verleihen der Pflanze jedes Jahr aufs Neue ihre geballte Wurzelkraft“, heißt es von Firmenseite.

Streng unter Naturschutz

Dass die Pflanze seit fast hundert Jahren streng unter Naturschutz steht, heißt aber nicht, dass im Biosphärenpark jegliche Nutzung verboten ist. „Naturschutz soll Hand in Hand mit einem sanften Wirtschaften des Menschen in einer Kulturlandschaft gehen“, sagt Heinz Mayer, der mehr als 30 Jahre die Öffentlichkeitsarbeit im Biosphärenpark Nockberge erledigt. Das Recht und die Erntelizenz zum händischen Ausgraben des Speiks haben nur zwei Bergbauernfamilien in Saureggen in der Nähe von Bad Kleinkirchheim.  Ihr wichtigstes Werkzeug für die beschwerliche, rückenbeißende Arbeit: das „Speikkramperl“. Ein kleines Grabwerkzeug, mit dem die Pflanze mitsamt der Wurzel schonend geerntet werden kann. Zwischen den Ernten werden immer wieder Schonzeiten eingeräumt, damit sich der Bestand erholen kann. Eine Studie des Instituts für Botanik an der Universität Wien hat ergeben, dass die beste Vermehrung der Pflanze bei einer Entnahme von 50 Prozent gegeben ist. „Ich würde diese Arbeit nicht machen, mein Kreuz würde rebellieren“, schaudert es Mayer vor der anstrengenden Tätigkeit.

Nur 25 Kilogramm pro Ernte

Höchstens 25 Kilogramm der wertvollen Pflanze dürfen entnommen werden. Doch für Shampoos, Duschgels, Seifen und Cremen braucht es nicht mehr. Nur ein paar Tropfen genügen und Duft und die heilsame Kraft des Speiks entfalten ihre volle Wirkung.

Für die Bergbauernfamilie ist die Arbeit ein wichtiger Zuverdienst. Geerntet wird traditionell im „Frauendreißiger“, der Zeit zwischen den Festen Maria Himmelfahrt am 15. August und Maria Namen am 12. September. Nach der Ernte wird der Speik in speziellen „Speik-Schobern“ getrocknet, danach kann das wertvolle Öl gewonnen und verarbeitet werden. Firmenchef Teuffel lässt es sich nicht nehmen, die Ernte persönlich abzuholen und an den Firmensitz zu bringen. Ein jährliches Highlight für Speick Naturkosmetik und die Kärntner Almbauern. Die Bauern tragen mit der Speik-Ernte auch ursächlich zur Landschaftspflege bei. Ohne sie würden die Almen in der Nockregion mit der Zeit verwalden.

Monopol für die Verarbeitung

Das Monopol für die Verarbeitung zu Kosmetikprodukten hat seit rund 90 Jahren die Stuttgarter Firma Speick (mit CK geschrieben). Der Gründer der Speick-Werke Walter Rau und ein Reichenauer Bauer haben sich im Krieg kennen gelernt und begründeten damals ihre Kooperation. Die Erfolgsgeschichte begann mit der Speick-Seife und sie ist auch heute noch Kernstück des Sortiments. „Sie ist und bleibt unser Aushängeschild mit ihrer charakteristischen roten Farbe und dem eigenen vertrauten Duft. Bei den älteren Verbraucherinnern wecken die Seifen Kindheitserinnerungen, die jüngeren verbinden damit einfach Wohlgefühl. Man spürt förmlich, dass man sich etwas Gutes damit tut“, schreibt die Firma.

„Die Speik-Seife war die erste parfümierte Seife in Österreich überhaupt“, erzählt Mayer. Weil die Pflanze so wertvoll ist, existiert ein strenger Markenschutz.

Speik in der Räucherpfanne

Was sich die Bewohner und Bauern der Gegend aber nicht nehmen lassen: sie stecken Wurzelstücke in ein Säckchen und beduften damit die Wäscheschränke. Die Motten nehmen dann mit Sicherheit Reißaus. Auch in den Räucherpfannen darf der Speik nicht fehlen. In den Alpen wird in den Raunächten, zu Weihnachten, Silvester, Dreikönig Haus und Stall ausgeräuchert, um das Böse zu vertreiben und „good vibes“ zu erbitten. Eine Tradition, die auch heute noch existiert. Getrocknete Kräuter werden auf glühende Kohlen gelegt, Haus und Stall unter Absingen von Gebeten geräuchert, um so vor Unheil und Krankheit geschützt zu sein. In den Nockbergen gehört der Speik neben Palmkätzchen und Wacholder unbedingt zum Räucherbüschel.

Wenn die Produktion ihrer Nockalm-Pflanze auch ausgelagert werden musste, so profitiert die Region dennoch davon. Wer mit der Biosphären-Bahn auf die Brunnachhöhe in St. Oswald schwebt und von dort eine Wanderung zur Bockhütte unternimmt oder in der Falkerthütte auf eine knusprige Forelle einkehrt, wird mit dem Speik wundersame Bekanntschaft machen. Reines Quellwasser speist hölzerne Tröge, in die man die vom Wandern müden Füße tauchen kann. Speik-Seife und eine wohltuende Speik-Fußcreme lässt die Energien wieder zurück fließen. Ein großer Dank gebührt daher der kleinen Pflanze.

Selbstredend werden die Produkte der Firma Speick in den Beauty-Abteilungen der Hotels in der Region angeboten und gehören in den Kosmetik-Studios von Römerbad und Kathrein-Therme in Bad Kleinkirchheim zur Grundausstattung. Wohltuende Massagen mit Speik-Öl haben schon so manchem Urlauber den Muskelkater vom Wandern und Skifahren ausgetrieben. Übrigens verbringen auch die Manager der Firma Speick gerne ihren Urlaub im Ursprungsgebiet ihres wichtigsten Grundproduktes.

Im Tourismus-Infopoint in Bad Kleinkirchheim kann man mit eigens ausgebildeten Rangern Speik-Wanderungen buchen. Dort erfährt man alles über das unscheinbare Wunderpflänzchen und dessen heilsame Wirkung.

Noch eine heitere Speik-Geschichte am Rande: in früheren Zeiten hat man kleine Ganoven einige Tage in eine Zelle mit intensivem Speik-Duft gesteckt. Solcherart „stinkend“ wusste das gesamte Dorf, dass sie etwas angestellt hatten. Der Speik-Duft hatte sie verraten.

Elisabeth Tschernitz-Berger
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