Auf den richtigen Schein kommt es an

Almgeschichten, 17.03.2023, Elisabeth Tschernitz-Berger

Die Altvorderen hatten Recht: Holz zum richtigen Zeitpunkt geschlagen, weist besondere Eigenschaften auf. Über 500 Jahre alte Bauernhäuser in den Alpen sind der Beweis.

 

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Der Wald rund um das Natur Gut Lassen | © Urlaub am Bauernhof Kärnten/ Daniel Gollner

Das alte Holzhaus brannte innen völlig aus. Das Metall der landwirtschaftlichen Geräte war durch die große Hitze geschmolzen. Doch das Gebäude hielt zur Verwunderung aller der Hitze stand. Lediglich die schweren Holzbalken waren außen verkohlt. Als das Holz mit Hilfe eines Traktors abgebrochen werden sollte, gab es keinen Millimeter nach. Nur die äußere Schicht der Stämme war angekohlt, das Innere unbeschadet vom Feuer geblieben. Das Haus musste schließlich akribisch auseinander gesägt werden. Ein Teil des Holzes wurde für den Neubau wieder verwendet. Es war offensichtlich vor hunderten Jahren beim richtigen Schein gefällt worden.

Altes Wissen der Altvorderen

Dass der Mond unser Leben beeinflusst, ist landläufig bekannt. Niemand kann sich seinem Einfluss entziehen. Die Gezeiten, der Zyklus der Frauen und auch der Wald und das Holz sind ursächlich dem Mond unterworfen. Das alte Wissen ist in der industrialisierten Zeit, in der Holzfäller aus Zeitgründen weder Jahreszeit noch Mondstand beachten können, weitgehend verloren gegangen. Doch kluge, naturverbundene Bergbauern, Zimmerleute und Holzfäller lassen sich nicht beirren und richten sich beim Schlägern und Verarbeiten des Holzes nach wie vor sehr genau nach Jahreszeiten, Sternzeichen und Mondstand.

Sie wissen, dass der Winter die beste Zeit zur Holzgewinnung ist. Die Säfte sind abgestiegen, das Holz arbeitet nach dem Schlagen kaum noch, im Sommer steht es hingegen voll im Saft. Doch es gibt noch eine ganze Reihe wichtiger Termine, die sich Holzfäller im Kalender rot ankreuzen, bzw. haben sie das Wissen ihrer Altvorderen längst konserviert.

Alte Bauernhäuser können nicht irren

Einer, der sich strikt nach dem „richtigen Zeitpunkt“ richtet, ist der Feldkirchner Zimmermeister Johann Süssenbacher. Mit seiner kleinen Zimmerei kann er es sich leisten, Kundenwünsche nach Häusern mit richtig geschlagenem Holz zu erfüllen. „Es ist offensichtlich, dass Holz, das in den Wintermonaten, Ende Dezember, Jänner oder im März gefällt worden ist, seine Festigkeit hält, nicht fault und Ungeziefer abwehrt. Ein Haus aus so einem Holz gezimmert, hält mehrere hundert Jahre“ ist Süssenbacher überzeugt. 30 bis 40 Häuser hat er schon mit „Mondholz“ gebaut. „Wenn die Kundschaft darauf Wert legt, mach ich das gerne“, sagt Süssenbacher, das Haus käme deswegen auch nicht teurer. „Früher hat man ja nur so gearbeitet“, wundert er sich über die Missachtung alter Bauernweisheiten. Dafür brauche es auch keine wissenschaftlichen Studien, alte Bauernhäuser, die bereits über 500 Jahre am Buckel haben, seien der eindeutige Beweis. „Und wenn solche Häuser abgerissen werden, kann man das alte Holz wieder verwenden, es hält dann noch ein paar hundert Jahre. Das ist Nachhaltigkeit im besten Sinn,“ sagt Süssenbacher im Brustton der Überzeugung.

Niemals im Sommer

Niemals würde Sepp Hinteregger Holz im Mai oder Juni schlägern. Der Wassergehalt sei in diesen Monaten am höchsten, das Holz dadurch fast wertlos. Der Land- und Gastwirt, der gerade ein Haus in Sankt Oswald bei Bad Kleinkirchheim errichtet hat und derzeit einen alten Hof renoviert, hält sich genau an die Aufzeichnungen und Empfehlungen, die immerhin 150 Jahre alt sind. „Es stimmt tatsächlich, dass die Holzqualität besser ist, wenn man zum richtigen Zeitpunkt schlägert, das gilt für alle Holzsorten“, so Hinteregger. Nicht immer gelänge es aber, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wenn andere Arbeiten das Schlägern unmöglich machen. Hinteregger gibt noch ein Beispiel: „Wenn man die Schwarzerlen schwendet (rodet), wachsen sie tatsächlich nicht mehr nach, das haben wir eindeutig festgestellt“. Damit spart sich der Landwirt viel Arbeit.

Auch Günter Zeilinger, bäuerlicher Vermieter am Naturgut Lassen, hält sich als Sohn eines nachhaltig wirtschaftenden Land- und Forstwirtes, so gut es eben geht, an die alten Vorgaben. Seine Prämissen: Das Holz sollte zwischen Weihnachten und Neujahr im gefrorenen Zustand geschlagen werden, der Baum soll nach unten zeigen und die Äste sollten noch einige Tage am Baum bleiben. Vor allem aber sollte das Holz gut trocknen. „Es nützt nichts, wenn es zum richtigen Zeitpunkt geschlägert wird und dann nicht richtig austrocknet. Nur das garantiert langlebiges Holz, das so hart ist, dass sogar Bohrmaschinen kapitulieren.“, erklärt er. Ein Haus, das er gemeinsam mit einem Musiker-Freund errichtet hat, konnte diese Kriterien erfüllen. „Er beteuert jedes Mal, wie wunderbar es doch ist, in diesem Haus zu wohnen“, erzählt Zeilinger.

Nach dem Kreislaufprinzip des Waldes

Dass es auch ganz zeitgemäß geht, beweist die Firma Thoma Holzbau in Goldegg bei Salzburg. Sie sieht Holz als High-Tech Baustoff der Zukunft. Grundvoraussetzung für die energieautarken Häuser sei der richtige Umgang mit dem wertvollen Rohstoff. Thoma baut Massivholz-Häuser, die sich selbst heizen und kühlen und das ohne zusätzliche Dämmstoffe. Das gelingt vor allem durch Mondholz, mechanisch verdübelt ohne Verleimungen und Holzschutzmittel. Die Thoma Holz GmbH baute bereits über 2500 Häuser nach dem Kreislaufprinzip des Waldes. Ein Beispiel, dass nachhaltiger Holzbau auch industriell und im Großen realisiert werden kann.

Umfangreiches Regelwerk

  • Schon im Jahr 1912 verfasste Ludwig Weinhold ein Regelwerk, das auch heute nach wie vor gültig ist. Es gibt genaue Hinweise auf die zu erzielenden Holzeigenschaften. Ein paar Beispiele:
  • Holz, das fest und „gleim“ (wie geleimt) bleiben soll, wird an den ersten acht Tagen nach Neumond im Dezember geschlagen.
  • Damit Holz nicht fault, bieten sich die zwei letzten Tage im März bei abnehmendem Fisch an.
  • An nur einem Tag, dem 1. März nach Sonnenuntergang müssen die Holzfäller ausrücken, damit das Holz nicht brennbar ist.
  • Brennholz hingegen sollte im Oktober, im ersten Viertel des aufnehmenden Mondes geschlagen werden
  • Damit Brücken fest und vor allem rutschfest bleiben, sollte man Holz im abnehmenden Fisch oder Krebs schlagen
  • Damit das Holz nicht reißt, sollte es am 24. Juni zwischen 11 und 12 Uhr gefällt werden.
Elisabeth Tschernitz-Berger
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